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Spazir- oder Schäfer-Liedlein

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(Catharina Regina von Greiffenberg)

Portrait Catharina Regina von Greiffenberg

1.

In den angenehmen Auen /

komm ich / Gottes Güt zuschauen /

wann der Abend einher bricht.

wann die Schäflein bey der Tränke /

seinen Wundern ich nach denke /

meine Lobes-Pflicht verricht.

2.

Setz mich bey dem Bächlein nider /

und betrachte hin und wider /

meines Schöpffers Schaffungs-Kunst /

in der Erden Blumen-bringen:

die will mit dem Himmel ringen /

ob ertheilter Gnaden-Gunst.

3.

In dem kommet mir zu Ohren /

so beliebt und auserkohren

meiner Nachtigalle Schall;

da die Tochter in den Lüfften

macht erschallen aus den Klüfften:

dir sey Preiß / O ewigs All?

4.

Pfleg die lange Zeit zu kürzen /

und die Einsamkeit zu würzen /

mit der keuschen Bücher-Lust:

jedes Blat / ist mir ein Flügel /

und ein nachgelassner Zügel /

zu der süssen Himmel Brust.

5.

Laß die Schaf in Schatten stehen /

pfleg dieweil auf sie zu sehen:

denke dieser Hoheit nach /

die ich künfftig werd besitzen /

da mein‘ Ehren-Kron wird glitzen

als die Sonne tausendfach.

6.

Ob ich dieser Zeit schon habe

nichts / als meinen Hirtenstabe:

weiß ich doch ein Königreich

inner dem Saphiren-Dache /

und Demantinen Gemache /

das ich sterbend‘ erbe gleich.

7.

Lebe von der Schäflein Wolle /

wünsche nichts / als was ich solle /

bin in meiner Armut reich /

und ein Königin bey Schaafen /

kan ohn‘ Angst und Sorgen schlaffen /

werd ob keinem Stürmen bleich.

8.

Gottes Lob ist all mein dichten:

alls pfleg‘ ich dahin zu richten /

daß sein Name werd gepreist.

In betrachtung seiner Wunder /

leg‘ ich mich: und werde munder /

daß er der noch mehr mir weist.

Catharina Regina von Greiffenberg ist die Autorin des Gedichtes „Spazir- oder Schäfer-Liedlein“. 1633 wurde Greiffenberg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1649 und 1694. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her lässt sich das Gedicht der Epoche Barock zuordnen. Greiffenberg ist eine typische Vertreterin der genannten Epoche.

Die Literaturepoche des 17. und 18. Jahrhunderts, die wir heute als Barock bezeichnen, leitet sich aus dem Portugiesischen ab. Das portugiesische Wort stammt ursprünglich aus dem Juwelierhandwerk und heißt auf Deutsch „unregelmäßige, schiefrunde Perle“. Der Dreißigjährige Krieg, der in die Zeit von 1618 bis 1648 fiel, gilt als das maßgebende Bezugselement des Barocks. Der Dreißigjährige Krieg hinterließ ein politisch, wirtschaftlich und kulturell verfallenes Deutsches Reich. Aufgrund der Auseinandersetzungen wurden ganze Landstriche entvölkert. Es wurden Tod, Gewalt und Zerstörung zum Teil des Alltags der Menschen. Hungersnöte und Seuchen, wie die Pest, verschlimmerten die Situation der Bevölkerung weiter. Allein der Ausbruch der Pest reduzierte die Bevölkerung um ein Drittel. Krieg und Elend lösten in der Bevölkerung ein tiefes Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit aus. Im Gegensatz dazu lebten die alleinigen, absolutistischen Herrscher in pompösen Luxus und ließen sich Schlösser voller Prunk bauen. Diese Gegensätze von Todesangst und Lebenslust bzw. Armut und Luxus ließen sich ebenfalls in der Barockliteratur ausmachen. In der Lyrik wird der Einsatz solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. In der Dichtung des Barocks trat das Deutsche an die Stelle des Lateinischen, welches die Sprache der populärsten deutschen Dichter im 16. Jahrhundert gewesen war. Dennoch war auch künftig die Elite Träger der Literatur. Zu den bekanntesten Schriftstellern des Barocks gehören: Andreas Gryphius, Grimmelshausen, Casper von Lohenstein, Martin Opitz, Caspar Ziegler und Paul Fleming.

Hinweis: Das Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 237 Worte. Weitere bekannte Gedichte der Autorin Catharina Regina von Greiffenberg sind „In Gott / end ich mein Thun / daß es unendlich wird“, „Gott gibt mir alles hier / aus freyem Liebes-Muht“ und „Mein Wunsch ist / Gott allein / der endlich wird zu allen“. Zur Autorin des Gedichtes „Spazir- oder Schäfer-Liedlein“ wurden auf abi-pur.de weitere 338 Gedichte veröffentlicht.

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