(Catharina Regina von Greiffenberg)
1.
In den angenehmen Auen /
komm ich / Gottes Güt zuschauen /
wann der Abend einher bricht.
wann die Schäflein bey der Tränke /
seinen Wundern ich nach denke /
meine Lobes-Pflicht verricht.
2.
Setz mich bey dem Bächlein nider /
und betrachte hin und wider /
meines Schöpffers Schaffungs-Kunst /
in der Erden Blumen-bringen:
die will mit dem Himmel ringen /
ob ertheilter Gnaden-Gunst.
3.
In dem kommet mir zu Ohren /
so beliebt und auserkohren
meiner Nachtigalle Schall;
da die Tochter in den Lüfften
macht erschallen aus den Klüfften:
dir sey Preiß / O ewigs All?
4.
Pfleg die lange Zeit zu kürzen /
und die Einsamkeit zu würzen /
mit der keuschen Bücher-Lust:
jedes Blat / ist mir ein Flügel /
und ein nachgelassner Zügel /
zu der süssen Himmel Brust.
5.
Laß die Schaf in Schatten stehen /
pfleg dieweil auf sie zu sehen:
denke dieser Hoheit nach /
die ich künfftig werd besitzen /
da mein‘ Ehren-Kron wird glitzen
als die Sonne tausendfach.
6.
Ob ich dieser Zeit schon habe
nichts / als meinen Hirtenstabe:
weiß ich doch ein Königreich
inner dem Saphiren-Dache /
und Demantinen Gemache /
das ich sterbend‘ erbe gleich.
7.
Lebe von der Schäflein Wolle /
wünsche nichts / als was ich solle /
bin in meiner Armut reich /
und ein Königin bey Schaafen /
kan ohn‘ Angst und Sorgen schlaffen /
werd ob keinem Stürmen bleich.
8.
Gottes Lob ist all mein dichten:
alls pfleg‘ ich dahin zu richten /
daß sein Name werd gepreist.
In betrachtung seiner Wunder /
leg‘ ich mich: und werde munder /
daß er der noch mehr mir weist.
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